Aufstieg und Fall des Kriegervereins Sünninghausen
Abgesehen von Veteranenvereinigungen, die schon im 18. Jahrhundert entstanden sind, begründeten sich Kriegervereine vor allem in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Zweck dieser Vereine ist die Pflege der Kameradschaft, wie man sie in den Feldzügen kennen gelernt hatte. In der Heimat wollte man die verstorbenen Veteranen mit militärischen Ehren zu Grabe tragen. Die Pflege der »Treue zu Kaiser und Reich« kam dann als Vereinszweck erst später hinzu.
In seiner Schrift: »Das Kriegervereinswesen, seine Ziele und seine Bedeutung für den Staat«(erschienen im Jahre 1903) schreibt A. Westphal zur Geschichte des Kriegervereinswesens unter anderem:
»Einen ganz neuen, gewaltigen Umschwung brachte dem Kriegervereinswesen die große Zeit der Kriege von 1864, 1866 und namentlich 1870/71. Überall, in Städten und Dörfern, entstanden neue Vereine, zu Hunderten und Tausenden bildeten sie sich in überraschend kurzer Zeit. Schon 1872 äußerte sich das Bedürfnis, den gemeinsamen Ursprung und den gemeinsamen Zielen entsprechend, den Zusammenschluss der Vereine herbeizuführen. Zahlreiche Kriegerverbände bildeten sich, zunächst auf verschiedenen Wegen nach festem Zusammenschluss
strebend, bis endlich nach Jahrzehnte langem Ringen die heutige Organisation des Kriegervereinswesens nach Landes - Kriegsverbänden und die Vereinigung dieser im Kyffhäuserbund entstand. Ein weiterer Grund der mächtigen Entfaltung der Kriegervereine lag in dem Umstand, dass die meisten der neu begründeten Vereine - und je weiter die Begründungszeit der Vereine von der Kriegszeit entfernt lag, desto mehr trat dies in die Erscheinung - sich nicht nur wie die alten Militär- Begräbnis - Vereine auf Feldzug - Teilnehmer beschränken, sondern jeden ehrenhaften, monarchisch und national gesinnten Mann aufnahmen, der seine Dienstzeit treu erfüllt hatte.
Damit war die Gefahr des allmählichen Aussterbens der Vereine ...
Damit war die Gefahr des allmählichen Aussterbens der Vereine beseitigt, die Vereine erneuerten sich von Jahr zu Jahr bei jeder Reservisten - Entlassung und nahmen den Charakter einer allgemeinen Volksbewegung an, sie bildeten gewissermaßen die Fortsetzung der aktiven Armee und wuchsen zu der »Armee im Bürgerrocke«. ... Zwar hatten alle neu begründeten Kriegervereine als erste Zweckbestimmung die Pflege der Treue und Liebe zu Kaiser und Reich, zu Landesfürst und Vaterland, die Stärkung und Bestätigung der Vaterlandsliebe und des Nationalbewusstseins in ihre Satzung aufgenommen. Den Männern, welche in der großen Zeit des Deutschen Völkerfrühlings und unmittelbar darauf die neuen Vereine bildeten und in sie eintraten, waren solche Gesinnungen eben etwas Selbstverständliches. Niemand dachte daran, dass man diese patriotischen Tugenden im Volke besonders pflegen müsse. Erst als mit dem Heranwachsen der sozialdemokratischen Bewegung und infolge der Verhetzung gewissenloser Agitatoren ganze Volkskreise anfingen, sich von der Treue gegen den Monarchen und vom Vaterlande abzuwenden, tauchte der Gedanke auf dass in den Kriegervereinen der Boden gegeben sei, von dem aus dieser, den Staat bedrohenden Gefahr wirksam entgegengetreten werden könnte. Dieser Gedanke brach sich nicht ohne Widerspruch Bahn. ...«
Auch der Sünninghauser Kriegerverein ist vor einem geschichtsträchtigen Hintergrund entstanden. Der Deutsch - Französische Krieg 1870/71 hatte für Deutschland einen siegreichen Abschluss gebracht. Mit der Annahme der Kaiserkrone durch Wilhelm I. ging ein nationaler Wunschtraum, die Reichsgründung, in Erfüllung. Zugleich wurde aber im besiegten Frankreich der Ruf nach Rache (Revanche) laut. Schon wenige Jahre nach der Reichsgründung nahmen die Auseinandersetzungen um die »Entweltlichung« der katholischen Kirche scharfe Formen an. Im »Kulturkampf« setzte dann ein Ringen um katholische oder protestantische Vormachtstellung ein. Die Mitglieder der 1869 gegründeten Sozialdemokratischen Partei verneinten und bekämpften das obrigkeits- und monarchische Staatsgebilde.
Geist, Ziel und Geschichte des Sünninghauser Kriegervereins ...
Geist, Ziel und Geschichte des Sünninghauser Kriegervereins wurden gerade von diesen Ereignissen geprägt. Auch hier war nur die Erinnerung an gemeinsam verlebte Feldzugszeiten auslösend für einen vereinsmäßigen Zusammenschluss. Aber schon am Anfang standen neben der Kameradschaftspflege politische Ziele, die in einer enthusiastischen und dabei manchmal blinden Verehrung von Kaiser und Reich sich manifestierte und eine Stärkung des Nationalgefühls beabsichtigte.
Die staatlichen Verwaltungsbehörden haben sich immer stark um das Kriegervereinswesen bemüht. Um sich einen Überblick über die vorhandenen Kriegervereine in seinem Landkreis zu verschaffen, schreibt der Beckumer Landrat im Jahre 1873 seine Amtmänner an. Der Amtmann des Amtes Beckum berichtet dem Landrat am 24.November 1873, »... dass in der Gemeinde Lippborg und Vellern hiesigen Amts Krieger- Vereine bestehen. Im Kirchspiel Beckum hat sich ein besonderer Verein nicht gebildet, zudem die Krieger diese Gemeinden mit denen der Stadt [Beckuml zu einem Gesamtverein zusammen getreten sind...« Von Sünninghausen ist hier noch nicht die Rede. Erst im Jahre 1878 hören wir etwas über die Gründung eines Kriegervereins in Sünninghausen. Amtmann Begemann vom Amt Beckum übersendet»... am 24/1 78 [24. Januar 1878] die vom Kriegerverein Sünninghausen am 23. Dezember 1877 aufgestellten Statuten...« zur behördlichen Genehmigung an den Landrat.»... Nach § 2 der Statuten [sollen] nicht nur die innerhalb der Gemeinde Sünninghausen, sondern auch die in den Nachbargemeinden wohnenden ehemaligen Krieger Mitglieder des Vereins werden können...« Der Landrat genehmigt dem jungen Verein am 27. Januar 1878 die Statuten und erkennt den Colon Bernhard Kampmann als Vereinspräses an.
Der Verein sucht schon einen Monat später ...
Der Verein sucht schon einen Monat später, am 20. Februar 1878 um die Genehmigung zur Fahnenführung nach. In dem Antrag wird die Kriegervereinsfahne wie folgt beschrieben:»... dieselbe zeigt auf der rechten Seite auf weißem Felde in schwarzer Einfassung den preußischen Adler, auf der linken Seite die deutschen Reichsfarben und in der Mitte Kriegs - Embleme ...« Den Antrag hat der Vorstand des Kriegervereins unterschrieben. Danach war Bernhard Kampmann Präses und Franz Heitmeier sein Stellvertreter. Schriftführer und Rendant war Carl Wibberich, als Beigeordnete unterzeichneten Bernhard Biermann und Theodor Bermann. Auf dieses Gesuch teilt am 4. März 1878
Amtmann Begemann dem Kriegerverein Sünninghausen mit, dass »... zur Führung einer Fahne keine Genehmigung...« nötig ist. Die ministeriellen Erlasse zur Fahnengestaltung seien doch zu beachten. Danach dürfen keine Orden und Ehrenzeichen, keine Ordensbänder und auch nicht »... der Allerhöchste Namenszug ...« im Fahnentuch gezeigt werden. Auch darf in den Fahnen statt des Preußischen Adlers der deutsche Reichsadler nicht geführt werden.
Über Gestaltung des Vereinslebens ist nicht viel bekannt. Jährlich wurde das Kriegerfest Mitte Juli gefeiert. Der Beckumer Landrat aber beobachtete den Verein weiter und will am 16. Juni 1887 wissen, wie viel Kriegervereine und wie viel Mitglieder die Vereine in seinem Kreis haben. Für das Amt Beckum teilt am 18. Juni 1887 der Amtmann mit: »... Es besteht je ein Kriegerverein zu Lippborg und zu Sünninghausen. Ersterer zählt 75 letzter 42 Mitglieder ...< Die Vorstandsmitglieder des Sünninghauser Vereins sind jetzt:
»... Landwirt Carl Wibberich, Gemeindevorsteher Kampmann, Schuster Berman, Schuster Bernhard Biermann, Fabrikarbeiter Franz Heitmeier...« Begemann teilt auch mit, dass beide Vereine sich keinem größerem Kriegerverbande angeschlossen hätten. Über den Kriegerverein Vellern wird nichts gemeldet. Nicht nur der Landrat will über die Vereine informiert werden, auch das preußische Innenministerium will wissen, was in den Kriegervereinen vorgeht. Im Oktober 1890 will man wissen, ob die Kriegervereine unter Waffen zu Begräbnissen gehen.
Die Kameraden in Lippborg und Sünninghausen ...
Die Kameraden in Lippborg und Sünninghausen führen Waffen mit, wenn der Verstorbene Kriegsteilnehmer war. Die staatliche Macht, vertreten durch den Landrat Knickenberg, ersucht über den Dienstweg die Vereinsvorstände dazu zu bewegen ihre Statuten zu ändern. Eine Mustersatzung findet sich abgedruckt im »... Ministerialblatt für die innere Verwaltung für 1891, Seite 85...« Um die Vereine zur Satzungsänderung gefügig zu machen, wird ihnen lapidar mitgeteilt, dass sie ihre Fahnen ohne diese geänderten Satzungen nicht führen dürfen.
Auch wird der Verein angehalten sich einem größeren Dachverband anzuschließen. Daraufhin schreibt am 23. Dezember 1891 der Schriftführer C. Wibberich an den Amtmann Begemann, »... dass der Kriegerverein Sünninghausen im Jahre 1889 aus 35, 1890 aus 34 und 1891 aus ebenfalls 34 Mitgliedern bestand. Der Grund, weshalb der Kriegerverein sich keinem der größeren Kriegervereinsverbände angeschlossen hat, ist folgender: Die Mitglieder des Kriegervereins sind der Ansicht, dass der Anschluss dem Verein kein Vorteil, sondern Nachtheil bringe.
Der Stand der Vereinskasse erlaube es nicht, Reisediäten für Delegierte zu vergüten und die Mehrzahl der Mitglieder seien nicht in der Lage die Kosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Mangel an Patriotismus sei nicht der Grund...« Gehorsam ändert der Verein seine Satzung und erhält am 2. Januar 1892 die polizeiliche Genehmigung zum Führen der Fahne. Gleichzeitig wird dem Kriegerverein durch den Amtmann Begemann mitgeteilt, »... dass jedoch Ihrem Verein die polizeiliche Bestätigung sofort entzogen werden wird, wenn nicht solche Mitglieder, welche sich durch ihr Verhalten mit dem Zweck des Vereins in Widerspruch setzten, in Sonderheit solche, welche der Anforderung der Pflege und Bestätigung der Liebe und Treue zu Kaiser und Reich nicht entsprechen aus dem Verein aus geschlossen werden ... » Dieser Passus richtet sich gegen die Sozialdemokraten, von denen man befürchtete, dass sie die Kriegervereine unterwandern könnten. Den Arbeitern, der Fabrik von Tigges traute man also nicht so recht über den Weg.
Das Innenministerium brachte am 25. April 1892 ...
Das Innenministerium brachte am 25. April 1892 nochmals in Erinnerung, dass in den Statuten die §§ »... der Pflege, Bestätigung und Stärkung der Liebe und Treue für Kaiser und Reich, [und] die Veranstaltungen von kriegerischen Leichenfeiern für verstorbene Kameraden mit aufgeführt wird ... »
Die Beaufsichtigung durch die obrigkeitliche Verwaltung des Kaisers wurde immer stärker. Im März 1893 will man wissen, ob die »... vorhandenen Kriegervereine besondere Vereins - Abzeichen tragen und bejahendenfalls an welchem Bande. » Man hatte also den Verdacht und die Befürchtungen, dass eine besondere Farbe der Abzeichenbänder ein geheimes Erkennungszeichen für irgendwelche vaterlandslosen Finsterlinge sein könnten. Der Beckumer Amtmann Begemann konnte aber beruhigend mitteilen, dass nur der Lippborger Kriegerverein »... weiter keine Abzeichen trägt als Vereinsmützen nach der Uniform des 2ten Jäger Baitl., dieselben werden bei Festlichkeiten rest. Leichenbegängnisse getragen ... » Der Sünninghauser Verein trägt keine besonderen Abzeichen. Damit gibt man sich höheren Orts erst einmal zufrieden.
Durch einen Erlass des Innenministeriums vom 11. März 1893 wird den Kriegervereinen im Land verboten». -- wonach bei den Verhandlungen der Vereine jede Erörterung politischer und religiöser Angelegenheiten auszuschließen ist, nicht abgewichen werden darf ... » Der Kulturkampf und die Sozialistengesetze werfen noch ihre Schatten bis ins kleinste münsterländische Dorf. Ab 1895 wird ein verstärkter Druck auf den Kriegerverein Sünninghausen ausgeübt, um ihn dazu zu bewegen sich endlich einem größerem Verbande anzuschließen. Am 27. Mai 1896 ergeht eine Anfrage an den Amtmann, wann sich der Kriegerverein Sünninghausen endlich einem größerem Verbande anschließen will. Für die Antwort setzt man eine Frist von 14 Tagen fest. Eine Antwort auf diese Aufforderung ist nie erteilt worden. Im August 1896 will Landrat Hoffmann wieder wissen, »... ob und ev. welchem größerem Verbande die Krieger - Vereine beigetreten sind....«
Er will nun auch noch wissen, ». -- ob und ev. welche Offiziere seit dem 1. Januar 1895 in den Vereinen Aufnahme gefunden haben....« Amtmann Begemann teilt dem Beckumer Landrat am 28. August 1896 mit, dass sich Lippborg dem Hauptverbande der Westfälischen Krieger- und Landwehrvereine angeschlossen hat. Sünninghausen ist aber nicht zu bewegen, irgendeinem Verbande beizutreten. Auch Offiziere sind in seinem Verwaltungsbezirk seit dem 1. Januar 1895 nicht aufgenommen. Landrat Hoffmann lässt nicht locker, am 17. Mai 1897 unternimmt er einen neuen Versuch den Kriegerverein Sünninghausen zu einem Anschluss an einem größeren Verbande zu bewegen. Auch jetzt erfolgt kein Beitritt. Wahrscheinlich ist der Landrat jetzt verärgert, denn am 18. August 1897 will er erneut wissen, ob sich der Verein einem größerem Verbande angeschlossen hat. Jetzt interessiert er sich auch für den Vereinsvorstand. Er will den Namen des Vorsitzenden haben. Prompt teilt Begemanadem Landrat am 30. August 1897 den Namen des Landwirt G. Wibberich mit. Das letzte Jahr des Kriegervereins Sünninghausen ist herangekommen.
Der Untergang des Sünninghauser Kriegervereins ...
Der Untergang des Sünninghauser Kriegervereins begann ganz harmlos in Stromberg bei dem ersten Stiftungsfest des Beckumer Kreis - Kriegerbundes. Gleichzeitig feierte auch der Stromberger Kriegerverein sein jährliches Kriegerfest.
Das Programm sah für die Tage vom 23. bis 25. Juli 1898 folgendes vor:
1.) Am Sonnabend den 23. Juli am Vorabend zur Einleitung des Festes Böllerschießen.
2.) Am Sonntag den 24. würde hauptsächlich der Feier des Kreis - Kriegerbundes gelten. Nachmittags um 3 1/2 Uhr, Antreten des hiesigen [Stromberger] Vereins, Abholen und Versammeln der auswärtigen Vereine zum Festplatz, danach kameradschaftlich Unterhaltung, Konzert, Feuerwerk, Zapfenstreich und Böllerschießen. Schluss 12 Uhr.
3.) Montag den 25. Antreten der Vereine am Vereinslokal Abholen der Fahne, Zug durch den Ort, Konzert, Ball und
Böllerschießen.
Das Fest wird gefeiert in den eigens dazu aufgestellten Zelten...«
Hier nun ein Bericht der »Glocke«, die seinerzeit die Angelegenheit gemeldet hatte. Der »Glocke« bericht ist nicht der zeitgenössischen Berichterstattung entnommen, sondern etwa 28 Jahre später bei dem Tode des Gutbesitzers Josef Wibberich, dem Bruder des Sünninghauser Kriegervereinsobersten, in die Erinnerung gerufen.
..... Das Fest wurde in Zelten gefeiert auf dem freien Platze vor der Kreuzkirche [in Stromberg] und dem Schwesternhause. Vorsitzender des Kreiskriegerverbandes war der damalige Landrat des Kreises Beckum, Herr Hoffmann, der zum Fest in Reserveoffiziers - Uniform erschien. Es war ein herrlicher Tag, die in Uniform anwesenden Reserveoffiziere hatten sich aus den Zelten zurückgezogen und ihren Tisch im Freien unter alten, schattigen Bäumen aufgestellt. Als am Abend der Sünninghauser Kriegerverein sich zur Heimreise rüstete, hielt ihr Oberst Karl Wibberich noch eine kernige Ansprache, bedankte sich für die liebenswürdige Aufnahme in Stromberg und ließ zum Schluss einige kritische Worte über die Absonderung der Reserveoffiziere einfließen. Im Kriege, so meinte er, verließ der Offizier seine Mannschaft nicht, man kämpfte Schulter an Schulter, aber heute, wo man ein großes allgemeines Kreiskriegerverbandsfest feiere, können man keine Reserveoffiziere im Zelte der Mannschaften erblicken. Wahrscheinlich durch einen Gendarmen, der der Rede zugehört hatte, wurde dem Offizierstisch gemeldet, dass
anscheinend ein Bielefelder Sozialist aufrührerische Reden hielt, sofort ließ der schneidige Landrat Hoffmann unseren alten Freund Karl verhaften und ins Spritzenhäuschen abführen, ein Setzer der Glocke machte die Bemerkung: ,Das ist mir aber eine schöne Kameradschaft' und schon hatte man auch ihn beim Schlafittchen. - Eine große Menge Volks folgte den Verhafteten und nahm energisch Stellung für sie.
Die Sünninghauser wollten ihren Oberst freihalten, man hatte nicht übel Lust, Gewalt anzuwenden. Da verkündigte der Landrat den kleinen Belagerungszustand und forderte das Publikum zum Auseinandergehen auf. Die Situation wurde aber gerettet durch Herrn Dr. Lönne - Beckum, der jede Bürgschaft für seinen Freund Karl übernahm und den Landrat zur Freigabe des Obersten veranlasste. Die Freude der Sünninghauser war unbeschreiblich, mit Leiterwagen fuhr man den heimischen Penaten zu, während man bei der Wirtschaft Heiringhof in Keitlinghausen und nachher im Dorfe dieses Ereignis in der feuchtfröhlichsten Weise feierte. -Seitdem hat Sünninghausen keinen Kriegerverein und kein Kriegerfest mehr.
Der Verein wurde behördlicherseits aufgehoben ...
Der Verein wurde behördlicherseits aufgehoben, es bildete sich der Sünninghauser Schützenverein mit dem Obersten »Karl« an der Spitze, dessen Feste noch heute aus näherer und weiterer Umgebung gern besucht werden. Die »Glocke« schloss ihren damaligen interessanten, von der ganzen deutschen Presse abgedruckten Bericht mit den Worten: »Dies war der erste Teil. Im zweiten Teil wurde zwar die Auflösung des Kriegervereins beibehalten, Herr Landrat Hoffmann aber, in Verbindung mit anderen Angelegenheiten entlassen...«
Aber die beiden Verhafteten wurden auch noch zur Verantwortung gezogen. Die Glocke berichtete unter dem Datum des 13. August 1898:»... Im Kreise Beckum ereignen sich fortgesetzt wunderbare Dinge! Wie verlautet, sind die beiden Spritzenhausehrenbürger von Stromberg, die Herren Landwirt und Kriegervereinsoberst Karl Wibberich in Sünninghausen und Schriftsetzer Schürmann in Oelde, auf Veranlassung des Herrn Landrat Hoffmann in Beckum wegen groben Unfugs, begangen durch die revolutionären Umtriebe auf dem Kriegerverbands fest in Stromberg in hohe Polizeistrafe genommen worden...«
Leider hat der Fall des Kriegervereins Sünninghausen kaum Niederschlag in den Akten des Amtes Beckum gefunden. Fest steht nur, dass der Regierungs-Präsident in Münster sich mit der Angelegenheit befassen musste. Auch die militärische Behörde des Bezirks-Kommando II schreibt in dieser Angelegenheit am 21. Dezember 1898 an den Regierungs-Präsidenten in dem vorgeschlagen wird, dem Kriegerverein Sünninghausen die polizeiliche Bestätigung zu entziehen, denn»... findet das Vorgehen des Kriegervereins keine Ahndung, so dürften sich ähnliche Vorkommnisse im Kreise Beckum wiederholen, und es für Offiziere misslich sein, sich in Uniform an Festlichkeiten von Kriegervereinen zu beteiligen...«
Auf dem Dienstwege gelangte dann das Vereinsverbot an den Amtmann Begemann, der dem Vorstand des Kriegervereins Sünninghausen am 14. Februar 1899 schrieb: »Gemäß Verfügung des Herrn Regierungs-Präsidenten vom 24. v.J. wird die diesseitige Bestätigung Ihres Vereins
vom 27. Dezember 1891 hiermit zurückgezogen. Mit dem Aufhören Ihres Vereins als Kriegerverein geht derselbe auch des Rechtes verlustig die Fahne führen zu dürfen.«
Damit war es aus mit den beliebten Kriegerfesten. Die auch heute noch vorhandene Meinung, daß der Beckumer Landrat Hoffmann wegen seines starren strammen Auftretens beim Stromberger Kriegerfest seinen Sessel hat räumen müssen ist falsch. In keinem Schriftstück der Akten wird je an den Entscheidungen des Landrates Kritik geübt. Wie es scheint, hat auch die Weigerung des Sünninghauser Vorstandes sich einem größeren Verbande anzuschließen, mit dazu beigetragen, dass er verboten wurde. Heute kann man auch nicht mehr feststellen, ob auch
ein Verdacht vorgelegen hat, dass der Verein von Sozialisten unterwandert war. Die Arbeiter der Fabrik Tigges legen diesen Verdacht nahe.
Im Jahre 1902 versuchte man in Sünninghausen den Kriegerverein wieder ins Leben zu rufen.
Julius Sünninghausen schrieb folgendes Gesuch an den Amtmann Begemann: »Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät hatten die Mitglieder des ehemaligen Kriegervereins »Sünninghausen« versammelt. Allseitig wurde der Wunsch ausgesprochen, einen Kriegerverein wieder ins Leben zu rufen. Die Mitglieder des vor einigen Jahren aufgehobenen Vereins hatten demselben großenteils seit der Gründung angehört
und [sie] weigerten sich einem anderem Verein anzugehören, wenn nicht die alten Fahne, welche die Jahreszahl 1878 trägt, wieder geführt werden dürfte. Sollte dieses nicht gestattet werden, so ist zu Befürchten, dass an eine Neugründung wegen zu schwacher Beteiligung nicht zu denken wäre. Ferner wurde allgemein da für gestimmt, bei etwaigen Zustandekommen dem früheren Oberst Karl Wibberich die Leitung des Vereins anzubieten. Es wird daher um Auskunft gebeten, ob unter diesen oder unter welchen Bedingungen die Gründung eines Vereins erfolgen kann. Mit aller Hochachtung Julius Sünninghausen.
Diesen Antrag leitete der Amtmann wohlwollend ...
Diesen Antrag leitete der Amtmann wohlwollend an den Landrat Dr. Bahlmann weiter. Begemann berichtet aber auch,----- dass sich die ehemaligen Mitglieder des Kriegervereins nur zur Feier des letzten Geburtstages Sr Majestät in patriotischer Weise zusammengefunden hätten. ...« Der Landrat wollte aber den Verein nur zulassen, wenn sich wenigstens 30 Mitglieder zusammen gefunden hätten. Die alte Fahne könnte dem neuen Verein auch erst nach mindestens 3 Jahren verliehen werden. Jedenfalls wird der Verein als eine Neugründung zu betrachten sein. Gleichzeitig ersucht Dr. Bahlmann ---- - jedoch noch in unauffälliger Weise zu ermitteln, ob etwa die Mitglieder des
ehemaligen Vereins auch nach der Zurücknahme der Bestätigung in patriotischer Weise sich stets zusammen
gefunden hatten, um den Geburtstag Sr. Majestät zu feiern und mir über das Ergebnis demnächst Mitteilung zu
machen...«
Unter diesen Bedingungen ist es aber in Sünninghausen nicht wieder zu einer Belebung des Kriegervereins gekommen. Die Art und Weise der Auflösung wurde noch als ungerecht empfunden und man meinte im Recht zu sein, die alte Fahne zu führen, da der ehemalige Kriegerverein zu den ältesten Gründungen im alten Kreise Beckum gehörte. Behördlicherseits sollte auch die Generalsatzung des Kriegerbundes angenommen werden. Auch dazu war man in Sünninghausen nicht bereit.
Die Geschichte des Tumultes auf dem Stromberg ist aber nie vergessen worden. Ernst Meurin hat diese Geschichte aus der wilhelminischen Zeit in eine literarische Form gegossen, die sich zwar recht amüsant liest aber nicht den Anspruch hat ein historischer Bericht zu sein.
Quellen:
Festzeitschrift zum 75-jährigen Bestehen des Schützenverein Sünninghausen 1909 e.V.
Kreisarchiv Warendorf: Amt Beckum A 309
»Die Glocke« 24. Februar 1924
Staatsarchiv Münster: Kreis Beckum, Landsratsamt Nr.113 - Schützen und Kriegerfeste